Jubiläum für Augen-Blicke

WAZ, Bottrop, 23.10.2007, Von Marie-Luise Schmand

Die Augenarztpraxis von Dr. Ohm besteht nun in der dritten Generation. Der Großvater klebte die Blätter seiner Patienten-Kartei noch mit Leukoplast zusammen, der Enkel schaut auf den Computerschirm

 Foto: WAZDer Name „Ohm“ ist den Bottropern seit 100 Jahren vertraut. Das bedeutet auch, dass einige Patienten drei Generationen von Augenärzten erlebten, die sie unterschiedslos mit Dr. Ohm anreden konnten: Zunächst Johannes Ohm, der 1907 die erste Augenarztpraxis in Bottrop eröffnete (die WAZ berichtete), anschließend dessen Sohn Philipp Ohm und nun Wolfgang Ohm. Die Augenarzt-Praxis feiert ein seltenes Jubiläum.

Der 60-Jährige Wolfgang Ohm behandelt noch einige alte Patienten, die Ende der 20-er Jahre geboren wurden und die schon seinen Großvater um ärztliche Hilfe baten. Sie wird sich wohl auf wesentlich einfachere Mittel beschränkt haben, als sie der Enkel heute einsetzen kann. Freilich, operiert wurde auch vor hundert Jahren, stellt Dr. Wolfgang Ohm fest. Eben nach besten Kräften und gemäß dem damals aktuellen Wissensstand, ohne das entzündungshemmende Penicillin und ohne Brille vor den Augen des Operateurs. Wolfgang Ohm erklärt den Fortschritt der Medizin am Beispiel der Behandlung des Grauen Stars, einer der häufigsten Augenerkrankungen, bei der die Linse trüb wird: Großvater Johannes Ohm konnte immerhin schon die Linse aus dem Auge entfernen. Die Patienten trugen nach der Operation eine Star-Brille, und ihr Sehvermögen blieb erhalten. Enkel Wolfgang Ohm hat die Periode miterlebt, in der den Star-Patienten Kontaktlinsen eingesetzt wurden, die heute wiederum von Kunstlinsen abgelöst worden sind.

Dr. Wolfgang Ohm holt sich heute per Fingerdruck die elektronisch gespeicherten Patientendaten auf den Bildschirm. Wenn er den Blick am Schreibtisch höher hebt, hat er vor Augen, wie sein Großvater Patientendaten sammelte: Im Regal steht die vergilbte, penibel geführte Patientenkartei – eine gebundene Blattsammlung, teils mit Leukoplast geklebt. Großvater Johannes Ohm hielt auf Ordnung. Das musste er wohl auch, bei weit über 7000 Druckseiten, auf denen seine wissenschaftlichen Texte erschienen sind. Viele davon beschäftigen sich mit dem Augenzittern der Bergleute. Diese Krankheit, deren Erforschung Johannes Ohm am meisten beschäftigt hat, hat Wolfgang Ohm in seiner Praxis noch nie diagnostiziert. Ihr allmähliches Verschwinden ist nicht zuletzt das Verdienst seines Großvaters, der 1917 mit dem von Graefe-von-Welz-Preis der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft ausgezeichnet wurde.

Enkel Wolfgang Ohm erinnert sich an eine „gewisse Distanz“ im Verhältnis zum Professor Ohm, den er als Kind stets als „Großvater“ ansprach und der die meiste Zeit außerhalb der Praxis in seinem Studierzimmer verbrachte. Einige Jahre lebten drei Ohm-Generationen unter dem Dach des Hauses, das Johannes Ohm, der Großvater, ab 1909 an der Kirchhellener Straße gebaut hatte. Die Großeltern zogen sich in das oberste Stockwerk zurück, nachdem Professor Johannes Ohm 1948 die Praxis im Erdgeschoss an seinen Sohn Philipp übergeben hatte. Im Stock darüber spielte sich das Familienleben ab, und dort wuchs auch Wolfgang Ohm auf.

Ebenso wir der Vater zeigte auch Philipp Ohm berufspolitisches Engagement. Er war stellvertretender Vorsitzender des Bottroper Ärztevereins und Mitglied des Vorstands der Ärztekammer. Philipp Ohm praktizierte 30 Jahre lang an der Kirchhellener Straße 14, bevor mit seinem Sohn Wolfgang 1978 der dritte Dr. Ohm die Praxis übernahm und sie an den aktuellen Standort an der Poststraße verlagerte. Auch dem berufspolitischen Engagement der Vorfahren ist Dr. Ohm treu geblieben, der seit Jahren den Ärzteverein leitet.

 Er hofft, dass die Tradition der Ohm’schen Augenärzte in Bottrop nicht abreißt. An seinem Sohn soll es nicht liegen – Dr. Oliver Ohm hat Augenheilkunde studiert.